Es waren bewegende Szenen und Zeiten, als vor einigen Monaten die letzten BewohnerInnen und solidarische Aktivisti das alte Dorf Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier aufgeben mussten. In „Vertragstreue“ wurde hier etwas vollzogen – die Zerstörung eines kompletten Dorfes, und es war nicht das erste – , was dem Klima nicht gut tut, was gegen besseres Wissen und Einsicht steht.

Freundinnen und Freunde aus der belgischen Sangha von Frank de Waele Roshi, als Mit-Initiatorin und Organisatorin unsere Weggefährtin Svenja Wildflower, hatten im August 2022 im Rahmen eines Eco-Retreats in der Region Zeugnis abgelegt – von den Wunden, die die Energiegefräßigkeit unserer Zivilisation der Erde zufügt, aber auch von der Kraft und Leidenschaft der Menschen, die um ihre Heimat kämpfen.

Am 30. April kehrte ein Teil der Retreatants zurück ins Gelände. Vier Mitglieder der Peacemaker-Gemeinschaft aus Bonn und Tilburg – Dorle, Claudia, Reiner und Kathleen – gesellten sich für diesen BesinnungsTag dazu. So versammelten sich an diesem bezaubernd schönen letzten Apriltag 20 FriedensfreundInnen am Friedhof von Holzweiler: Menschen aus Belgien, den Niederlanden und Deutschland, vier davon leben in der Region und engagieren sich seit Jahren vor Ort.

Eine kurze Kennenlern-Runde – dann liefen wir im Schweigen los. Diesmal nicht mit Ziel – nicht „nach Lützerath“, „zur Abbruchkante“, sondern „ins Leere“. Das Verschwinden von Lützerath öffnete die Tore ins Nichts. Dies würdigten wir, indem wir nicht-wissend losgingen, uns von den Wegen leiten ließen, Schritt für Schritt, in Stille.

Wir fanden uns wieder an einer rot-weißen Schranke. Dahinter war Lützerath. Jetzt: aufgerissener Erdboden, ein Loch, ein Schaufelbagger in Betrieb. Die ehemaligen Bewohnerinnen des Dorfes, die mit uns gingen, konnte die Schranke nicht stoppen; sie gingen in ihr Dorf und ließen sich nieder an Plätzen, die sie noch kannten, als sie mit Leben gefüllt waren. Einige weitere aus der Gruppe gingen mit, die anderen ließen sich diesseits der Schranke nieder zur Meditation. – Der Werksschutz, der das Gelände zu bewachen hatte, wurde sofort aktiv; forderte alle auf, zurück vor die Schranke zu kommen. Als dies nicht geschah, forderten sie Verstärkung an. So wurde die Meditation der aus dem Dorf Vertriebenen an ihren alten Plätzen bewacht – und zugelassen. In knappen Gesprächen konnten wir den unbalancierten Frieden aufrecht halten. In der Meditation spürten viele von uns die herzzerreißende Spannung von gleichzeitig anwesender Schönheit und Zerstörung: In unser Schweigen hinein sangen Feldlerchen ihre fröhlichen Melodien, während der Schaufelradbagger mit stoischem BassTon die Erde aufriss…

Schließlich waren wir alle wieder vor der Schranke versammelt, und eine der lokalen Vertreterinnen rezitierte in die Stille unserer Meditation hinein den Klage-Psalm, den sie zum Verschwinden des Dorfes verfasst hatte. Die Feldlerchen untermalten die Worte von Hilflosigkeit, Schmerz und Zorn mit einem Crescendo.

Nach einem nächsten Stück Weg ließen wir uns zum Mittagsmahl nieder – wieder einmal brachte es uns zum Staunen, was zusammenkommt, wenn jedeR nur eine Kleinigkeit mitbringt… 

Zurück nach Holzweiler – hier ließen wir uns auf einem Stück Wiese zum Zuhören und Mitteilen im Council nieder. Sofort erschienen zwei sechs- oder siebenjährige Mädchen, stemmten die Hände in die Seiten und fragten laut: „Was macht ihr da?“ – wir erklärten es so gut es ging, und schließlich ließen sie uns großzügig gewähren. Zwischen zahlreichen MotorradausflüglerInnen und der beginnenden Fest-Kirmes zum 1. Mai war dies, so sagte Frank Roshi, „das lauteste Council, das ich je erlebt habe“. Nichtsdestotrotz erreichten die leisen Töne, die Tränen und Gesten unsere Herzen.

Wir beschlossen den Tag an unserem Ausgangspunkt, dem Parkplatz am Friedhof von Holzweiler, mit der Gate of Sweet Nectar – Zeremonie, in der wir mit Gesängen, Rezitationen, Klängen und symbolischen Gaben uns selbst zum großen Mahl für alle hungrigen Geister machen.

Es sind in nächster Zeit zwei Pilgergänge geplant, die durch Militarismus und/oder Natur-Ausbeutung verwundete Orte besuchen und miteinander verbinden (von den vor Ort Aktiven im Juli, von der Peacemaker-Gruppe im September). Mehr ist zu erfahren auf der Website für europäische Zeugnis-Ablegen-Aktivitäten , die Svenja Wildflower und die Gent-Sangha aufgebaut haben, und auch wir werden hier darüber informieren.