Auch dieser Beitrag erreichte mich nach der Wahl vom vergangenen Sonntag (Autor: Michael Hock):
Die Stimmabgabe bei der Bundestagswahl 2025 ist Geschichte. Was mich – wertfrei ausgedrückt – beeindruckt hat, ist eine Grafik, die ich am Morgen nach der Wahl auf der Seite des zdf gefunden habe. Eine Grafik der Zweitstimmengewinner im gesamten Bundesgebiet:
Ein Bild, das mich sofort an meinen Geografieunterricht auf dem Gymnasium Anfang der 80er erinnerte: Damals die Grenze zwischen BRD und DDR ist heute exakt dieselbe Grenze … im Osten FAST ALLE Wahlkreise blau markiert, im Westen und Süden die allermeisten schwarz, dazwischen ein paar wenige andersfarbige Sprenkel.
Aber ich will darüber schreiben, wo ich seit 1993 wohne, nämlich im Osten, in Jena. Das Ergebnis bedeutet nämlich nichts weniger, als dass selbst in Großstädten wie Dresden, Magdeburg, halb Leipzig, Erfurt, Jena, Chemnitz, Schwerin, Rostock, Frankfurt/Oder … jeweils mit deutlicher Mehrheit AfD gewählt wurde bzw. das Umland so AfD-lastig war, dass die städtischen Wähler im Gesamtergebnis „überkompensiert“ wurden.
Ja, auch in Chemnitz, der Europäischen Kulturhauptstadt 2025 … von was für einer Kultur reden wir denn hier dann eigentlich?
Jeder Fünfte in Gesamtdeutschland, jede/r Zweite bis Dritte hier im Osten hat sein/ihr Kreuzchen bei der AfD gemacht. Zum Glück weiß ich nicht, wer diese/r Zweite oder Dritte ist … ein Hoch auf das Nicht-Wissen und auf mein Nicht-Wissen-Wollen und – vielleicht merkwürdig – auch auf ein Nicht-Zeugnis-ablegen-müssen hier und jetzt gegenüber diesen Personen. Diese Haltung mag vielleicht mit den Peacemaker-Grundsätzen schwierig vereinbar zu sein, sie bietet mir jedoch spürbar Schutz – vor mir selbst und meinen moralischen Ansprüchen – und damit auch davor, das 6. und 7. Gebot unseres Ordens, „Mich nicht erheben und anderen die Schuld geben“ und „Nicht über die Fehler und Irrtümer anderer zu sprechen“, schlicht permanent in die Tonne zu treten. Auch wenn die Empörung bei „uns“ Demokratie-Verteidigern gegenüber „den Anderen“ sehr groß ist, ist es vielleicht gerade eine immens wichtige Lernaufgabe, das „so ist es“ ein, zwei Atemzüge länger auszuhalten und nicht reflexartig mit Schuldzuweisungen, Verurteilungen und anderen Abwertungen zu reagieren.
Von Roshi Barbara habe ich vor einigen Tagen einen kurzen Text von Basho erhalten, der genau das finde ich treffend beschreibt: „Von Zeit zu Zeit ziehen Wolken auf und bieten die Möglichkeit, sich auszuruhen vom Anblick des Mondes.“
Ja, so ist es.
Ende des Textes.
Herzlich
🙏🏻
Reiner Seido