Zur Erinnerung: Im Rückblick #1 habe ich den Einstieg in unser kleines Retreat am Freitag beschrieben.
Am Samstag nun steht im Mittelpunkt die Begegnung mit dem Ort, der am 29. April 1945 von der US-Army ohne Blutvergießen befreit wurde, auch weil der damalige deutsche Kommandeur das Lager mit damals noch etwa 70000 Kriegsgefangenen friedlich übergab.
Tag 2: Den Samstag begannen wir gemeinsam um 6 Uhr mit einer Meditation, bevor wir nach dem Frühstück gegen neun Uhr nach Moosburg aufbrachen. 10 Uhr war der vereinbarte Zeitpunkt, zu dem wir uns mit Frau Fößmeier zur Führung verabredet hatten, am Info-Point, der gleichzeitig der Ort des ehemaligen Lagereingangs gewesen war. Frau Fößmeier, eine sehr engagierte Journalistin, Kunsthistorikerin und Künstlerin kümmert sich beispiellos seit 2014 um den Erhalt der noch wenigen existierenden Zeitzeugnisse (http://christine-foessmeier.de). Bevor wir zur Führung starteten, verlas ich den Text „Ich rufe dich – ein Segen für den Weg“ von Wendy Egyoku Nakao Roshi (Ich rufe Dich).
Fotos oben: Die ehemalige Lagerstraße (Hauptstraße) begann an dem Infopunkt, wo wir zur Führung starteten. Das Foto rechts zeigt den Blick von dort aus in die heutige Sudetenlandstraße.
Gleich zu Beginn fielen uns am Anfang der Straße auf der rechten Seite zwei Wohnhäuser auf, die die Form der früheren Baracken hatten. Allerdings waren sie gemauert und nicht in Holzbauweise errichtet worden.
Frau Fößmeier informierte uns, während wir den Weg zur sogenannten „Sabathiel-Baracke“ einschlugen, laufend über ihre freiwillige Arbeit und wie nach und nach in der Stadt das Bewusstsein für den Erhalt der verbliebenen wenigen Bauwerke seit 2013 wuchs. Erst zu diesem Zeitpunkt hatte die Aufarbeitung so richtig begonnen.
Ich benenne nun einige Spots, an die wir auf unserem Rundgang von Frau Fößmeier geführt wurden.
Spot#1
Die Sabathiel-Baracke ist die letzte noch größtenteils erhaltene Gefangenen-Baracke, die nur dadurch vor vollständiger Zerstörung und Verfall gerettet werden konnte. Diese konnte nur mit größten Anstrengungen, besonders von Frau Fößmeier, gerettet werden, so dass das zerfallende Bauwerk kürzlich überbaut und damit vor Witterungseinflüssen bewahrt werden konnte. Sie diente viel Jahre nach der Auflösung des Lagers einem polnischen Schreiner namens Sabathiel als Werkstatt. Besonders hier fiel mir auf, dass die insistierende und intensive Mahnung und Erinnerung Verbindung geschaffen hat, so dass die Baracke jetzt als ein friedlicher Ort und wie ein integrierter Fremdkörper zwischen Wohnhäusern steht.
Auf dem rechten Bild kann man erkennen, dass im Gegensatz zu den gemauerten Baracken der Wehrmacht die Baracken der Kriegsgefangenen in Holzständerbauweise errichtet worden waren, verkleidet von nach außen verputzten Heraklithplatten. Das machte in den Wintern natürlich das Beheizen schwierig.
Spot#2
Unser Weg in Richtung des heutigen Gedenkplatzes (damals Lazarettbereich) führte uns vorbei an einer noch erkennbaren ehemaligen gemauerten Baracke, um die herum massenweise kleine Pflanzbeete gruppiert waren. Im Vorbeigehen begegneten wir Dr. Zhang, der diese heute als Lager dienende Baracke nutzt, um seinen Beitrag zur Abmilderung der Folgen der Klimakatastrophe zu leisten. Indem der gebürtige Chinese massenweise Pflanzen züchtet und diese überall in der Stadt und im Umland einfach auspflanzt, so erzählt er uns sehr freundlich und freizügig, möchte er etwas tun. Ohne das Ergebnis zu kontrollieren. Und wenn er sagt, dass vielleicht von 1000 Pflanzen 5 zum Beispiel überleben und wachsen, dann ist er glücklich. Staunend lauschen wir seiner Erzählung, und mir wird, besonders in dieser ehemaligen Lagerbaracke mit dem noch originalen Dachstuhl klar, dass er (zusammen mit seiner Frau) unsere Absicht „Erinnern – Verbinden – FriedeSein“ vor unseren Augen verkörpert. Eine wirklich bewegende, wertvolle Begegnung auf unserem Weg!
Spot#3
Unser Weg führte uns weiter in Richtung des heutigen Gedenkplatzes, wo sich zu Lagerzeiten der Lazarettbereich befand. Heute eine parkähnliche Wiese, die von mehreren früheren Latrinen-Gebäuden umgeben ist. Diese sind heute Wohnhäuser, eine Vorstellung, die nicht so ganz angenehm ist, zeigt sie aber, dass auch aus ehemals diesen wichtigen Zwecken dienenden Gebäuden heute etwas lebenswertes geworden ist. Eine riesige Weide aus der damaligen Zeit überspannt einen Teil des Platzes. In einer Ecke befindet sich ein Gedenkstein, vor dem noch die mittlerweile vertrockneten niedergelegten Kränze von der Gedenkveranstaltung zur Befreiung vor 80 Jahren auf Gestellen stehen. Die Veranstaltung hatte vor einigen Wochen stattgefunden. Davor befindet sich ein Brunnen, der sogenannte Franzosenbrunnen, der von einem inhaftierten französischen Künstler gestaltet worden war.
Frau Fößmeier erklärte uns ausführlich die Symbolik des Brunnens, auf dessen vier Seiten Darstellungen der vier großen Flüsse Frankreichs gestaltet sind und die in kleinen Hinweisen humorvoll die Verachtung für die deutschen Kriegsführer deutlich machte. Widerstand auf humorvolle Art und Weise!
Von dort führte uns nach eine Erholung- und Ruhepause der Weg weiter in Richtung von drei noch gänzlich erhaltenen und noch lange genutzten Baracken, in denen damals die Wachsoldaten untergebracht waren.
Dies in einem Rückblick #3, der in Kürze folgt.
🕊️Reiner Seido