Gestern habe ich eine Weile vor dem russischen Konsulat in Bonn gesessen.
Es war mir ein Anliegen, beim inneren ZeugnisAblegen vom Krieg ein Gegenüber zu haben – wenigstens ein Gebäude, in dem Betroffene sind.
Es ist so gut, dass sich jetzt viele um die leidenden Menschen in und aus der Ukraine kümmern. Ich wollte auch mit der russischen Seite Kontakt aufnehmen.
Mit einem Holzhocker und einem warmen Kissen ausgerüstet, suchten Thomas und ich uns einen Platz auf dem Bürgersteig gegenüber dem Haupteingang. Neben einem Baum, um den herum morgens offenbar eine Frauengruppe 100 Stiefmütterchen in blau und gelb zur ukrainischen Flagge gruppiert haben, mit der Botschaft „Women Rights are Human Rights“.
Eine Stunde verharrten wir dort in Stille und größtmöglicher Offenheit. Scharfkantig helle Sonne. Eisiger, unruhiger Wind.
Der Alltag bewegte sich um uns her:
An der Bushaltestelle gegenüber stiegen Menschen ein und aus, vor allem afrikanischer Herkunft, ihre Mobiltelefone konsultierend. Transporter mit osteuropäischen Kennzeichen inspizierten die Sperrmüll-Installationen vor den Wohnhäusern rechts und links von uns.
Ein Mann klebte zornig Blätter auf die drei Schaukästen vor dem Konsulat; seine Verzweiflung war ihm anzusehen. Später lasen wir darauf etwas über Wahnsinn und Pathologie in der russischen Regierung und wie dumm das Volk sei, dem zu folgen.
Schauen auf dieses Gebäude, in einen weitläufigen Park zurückgezogen, grau, gesichert mit mächtigen Zäunen und viel Stacheldraht (vor dem Nebeneingang ein Polizeiwagen).
So sieht es wohl aus, wenn man sich „in Feindesland“ wähnt. Eine Bastion.
Ich versuche, durch Zaun, Stacheldraht, vergitterte Fenster und dicke Mauern innerlich Kontakt aufzunehmen zu den Menschen, die dort jetzt arbeiten.
Ich versuche, im ruhigen, tiefen Atem und im Still-Sein Frieden auszustrahlen und hinein zu senden.
Mir zieht durch den Sinn: Krieg lässt sich wohl immer noch mit militärischen Mitteln gewinnen. Frieden nicht.
Mögen wir unsere Verbundenheit spüren.
… und noch ein Echo des zivilen Ungehorsams, zu der sich eine Freundin durch diese Aktion gerufen sah:
Sie machte mich nicht nur aufmerksam auf die schmerzliche Diskrepanz zwischen der festung-artigen Ausstrahlung des Konsulatsgebäudes einerseits und den Fotos der schönen russischen Landschaft im Schaukasten am Zaun andererseits. Sondern sie erweiterte die Vielfalt im Schaukasten um eine entscheidende Botschaft, s. rechts unten:
Danke Kathleen
Danke Thomas
DANKE
Liebe Kathleen
Dieser Brief ermutigt mich, selber aktiv zu werden, anstatt in der Ohnmacht zu verharren.
Er ermutigt mich Friedensarbeit in mir selber zu schaffen, anstatt mich im Urteilen zu verlieren.
Einfach sein mit dem Leiden in dieser Welt. In einer Welt mitten in Gier, Hass und Verblendung Friedensbotschaften in Form von blauen und gelben Stiefmütterchen sehen.
Wie viel Leid braucht es noch, bis die Menschheit endlich erwacht?
Danke, Kathleen und Thomas, für euren mutigen Beitrag. Ich bin im Herzen bei Euch