2. Teil: Rückkehr nach Schuld und Wanderung auf den eigenen Spuren von Schuld nach Altenahr (Teil 1 siehe Veröffentlichung vom 22.05.24/Mahnwache am Tor des Luftwaffenstützpunkts Nörvenich).

Der Wechsel von Nörvenich nach Schuld mit 2 Taxen war gleichzeitig die Hinwendung zum Thema Klimawandel und die Folgen, sichtbar und fühlbar im 2021 von einer plötzlichen Flut zerstörten und gewissermaßen auch traumatisierten Ahrtal.
Gerade an der Katholischen Kirche angekommen, traf auch unsere bereits aus dem September 2023 sehr gut bekannte Kontaktperson ein. Ein wirklich frohes Wiedersehen, waren wir doch im vergangenen Jahr auf dem Pilgerweg von Schuld nach Altenahr schon auf sehr freundliche, einladende Weise als Gäste der Kirchengemeinde begrüßt worden. Wir durften wieder den großen Gemeinschaftsraum im Gebäude neben der Kirche als Schlafstätte beziehen und bereiteten umgehend unsere Schlafplätze vor. Für die Sieben außer mir, die in den zwei Nächte davor im Hambacher Forst draußen geschlafen hatten, war es teilweise befremdlich, jetzt in einem geschlossenen Raum zu nächtigen.

Für den Abend hatten wir Plätze in der gegenüberliegenden Pizzeria reserviert, das bedeutete auch für alle außer mir wieder eine warme, zubereitete Mahlzeit und Bedienung nach den Tagen im Wald. Zuvor aber, wir hatten noch etwas Zeit bis zur Reservierung, gingen wir gemeinsam den steilen Weg zur Ahr hinunter, wo mittlerweile neben der stark beschädigten alten Brücke eine neue Fußgängerbrücke über den Fluss geschlagen worden war.

Die provisorische Überquerung, die auf den Resten der Brückenbögen aufgelegen hatte, war entfernt worden, so dass die alten Bögen nackt aus dem Wasser ragten, als ob sie auf die Wiederherstellung und Restaurierung warten würden.

Die gemeinsame anschließende Mahlzeit tat gut, die Nacht konnte kommen, geschützt und im Bewusstsein, dass in diesem Raum vor knapp drei Jahren während und nach der Katastrophe die Notfallzentrale für die gesamte nähere betroffene Region untergebracht war, einschließlich den zahlreichen total erschöpften Helfern.

Der Morgen begann um 7 Uhr mit der gemeinsamen Meditation auf der schon sonnenbeschienenen, aber auch noch taunassen Wiese neben der Kirche. Viele Erinnerungen kamen in mir hoch an die 8 Monate zurückliegende erste Erfahrung an gleicher Stelle. Damals saßen wir dort in Stille in den Sonnenaufgang hinein.
Im anschließenden ersten Council wurde deutlich, dass nicht alle Teilnehmenden, zumindest diejenigen, die neu dabei waren, nicht darüber im Bilde waren, dass Ulrike auch diesen Council filmen würde. So wurde die Kamera dieses Mal beiseite gestellt, die Unklarheiten wurden nach dem anschließenden Frühstück auf dem Kirchenvorplatz beseitigt und die Situation gemeinsam geklärt.
Es war dies wieder einer der reichen Erfahrungen, die wir mehrmals unterwegs machen durften, wenn es gelingen konnte, im Peacemakergeist auf achtsame Weise zu sprechen, zuzuhören und mit Respekt nach einer Lösung zu suchen, die für alle tragbar ist!
Sehr herzlich verabschiedeten wir uns von unserer „guten Seele“ der Kirchengemeinde, die uns wieder beherbergt hatte für diese Nacht.

Gegen 11 Uhr und bei wunderbarem, sonnigen Wetter starteten wir auf den uns (6 von 8) bekannten Weg in Richtung Altenahr, die erste Stunde im Schweigen. Mir fiel es nicht leicht, mit dem angeschlagenen Tempo mitzuhalten, da ich im Gegensatz zu den Übrigen am Vortrag mit meinem gesamten Gepäck die Strecken gegangen war. das spürte ich deutlich im Körper und bat darum, nach einer ersten Rast das Tempo etwas zu reduzieren. Wir kamen dennoch gut voran, legten immer wieder Pausen ein und füllten unsere Wasservorräte bei sehr netten Menschen auf, die wir darum baten. Es wurden wieder persönliche Gespräche daraus, und es war immer wieder herauszuhören, dass die geschädigten Bewohner zwar mit dem Wiederaufbau ein Stück weiter gekommen waren in der Zwischenzeit, es aber gerade ganz frisch zu erneutem Frust und Wut über die politische Situation gekommen war. Ein paar Tage zuvor war bekannt gegeben worden, dass der damals verantwortliche Landrat sich nicht juristisch verantworten muss. Diesen Unmut und Ärger kann ich sehr gut verstehen, warten doch viele der Menschen immer noch auf entsprechende angekündigte Fluthilfegelder.
Unterwegs fanden wir einen Platz, an dem wir ähnlich wie im vergangenen Jahr, in einer bewegenden Zeremonie den bedrohten und bereits verschwundenen Arten gedachten und seitenweise (immer zwei Personen gleichzeitig) Pflanzen, Tiere, verheerende Katastrophen und durch den Anstieg des Meeresspiegels bedrohte Orte und Städte rezitierten.
Nach einem weiteren Council näherten wir uns unserem Ziel, entschieden jedoch (nach einem Versorgungseinkauf im Örtchen Pützfeld) den restlichen Weg am nächsten Tag zu gehen und uns an dieser Stelle einen Platz zur Übernachtung zu suchen.
Am Hang voraus fiel der Blick auf die kleine Kirche, die uns einzuladen schien mit Geläut und sehr geeignetem Vorplatz zum Schlafen. So steuerten wir darauf zu und fühlten uns beim Abendessen und später in der Nacht behütet und wohl.

Der Kirchenraum steht durchgehend offen, und auf dem Vorplatz konnten wir lesen, dass dort Pilger willkommen sind. Im Inneren erwartete uns eine Vielfalt von verschiedenen Statuen, die Maria auf unterschiedliche Weise darstellen. Mich hat zusätzlich sehr berührt, dass dieser Ort nur wenige Kilometer Luftlinie vom Geburtsort meiner Mutter entfernt liegt.
Die Nacht kam auf uns zu , es wurde ein Tap Gene die Nachfeuchte gespannt, und darunter breiteten sich nach und nach die Schlafplätze aus unter sternenklarem Himmel.

Mitten in der Nacht wachte ich auf, mehrmals, und jedesmal hörte ich den Ruf eines Tieres, das ich nach einiger Zeit als Uhu einordnen konnte, auf Grund seiner besonderen Intensität und des durchdringenden, aber dennoch sanften Klangs. Noch nie zuvor hatte ich nachts einen Uhu gehört, er muss einiger Meter bergan in einem Baum gesessen haben.
Es waren magische Momente, Glücksmomente für mich, diesen Ruf wie eine Botschaft aus einer anderen Welt zu hören.
Gegen 6.30 kam wieder Leben in die Schafplätze und nachdem die Utensilien verstaut waren, fühlten wir uns vom 7-Uhr-Geläut eingeladen, unsere Morgenmeditation in den Innenraum der Kirche zu verorten.
Frühstück und Council folgten, dann setzten wir unseren Weg nach Altenahr weitestgehend wieder im Schweigen fort. Gestärkt und „Mariengesegnet“ lagen noch gut 4 Km vor uns. Am späten Vormittag erreichten wir wieder den Ort (Altenahr), in dem bei der Flut mehrere Menschen ertrunken waren und viele Häuser und Hotels zerstört worden waren. Da wir das Ausmaß von unserer Erfahrung im Vorjahr schon kannten, suchten wir uns einen Platz, an dem wir unsere Abschlusszeremonie „Gate of Sweet Nectar“ noch einmal gemeinsam feiern wollten. Auch an diesem Ort war für mich das klare Gefühl wieder da, dass genau diese Zeremonie sehr geeignet ist, um ein wenig unserer Energie und zeugnisablegenden Absicht im Sinne der ZenPeacemaker zu versprühen.
Ein letztes gemeinsames Mittagessen vom Tischtuch auf dem Boden und der abschließende Council waren die letzten offiziellen Aktionen, bevor unsere gemeinsame Reise und Erfahrung endeten.

Mit Bus und Bahn bewegte sich die Gruppe gegen 14.30 Uhr zunächst in Richtung Remagen und Bonn, von wo aus sich alle wieder in ihre Heimatregionen auf den Weg machten, teilweise mit langen Reisezeiten noch vor sich.
Für mich endete der Pilgerweg recht schnell, da ich ja in Bonn zu Hause bin.

Der Nachklang in mir ist noch sehr bewegend und intensiv, verbunden mit den mit-pilgernden Menschen und denjenigen, denen wir begegnet sind…und einem Uhu!

Gassho
Reiner Seido

Hinweis: Alle Fotos und Video, auch im Teil 1 © Reiner Hühner