Samstagmittag, kurz vor 12. Ich begrüße die beiden Menschen auf der Bank am Bonner Münsterplatz, vor denen ich meinen Meditationsraum neben der Klima-Mahnwache von Extinction Rebellion aufbaue: Ein Mann um die 60 mit Fahrrad und Bierdose, eine deutlich ältere Frau mit Einkaufstaschen-beladenem Rollator. Schnell ist die Rede von Respekt in der Politik, von großen Ideen und „aber niemanden interessiert’s“.

Ich lasse mich auf dem Klapphocker nieder; die drei Gongs meiner Mini-Klangschale klingen mit den Mittagsglocken des Bonner Münsters. Die nackten Füße auf der grünen Fahne von den Protesten im Hambacher Forst, lasse ich mich in meinen Atem sinken.

Hinter mir geht es hoch her: Die beiden auf der Bank diskutieren engagiert über die Leistungen der Kriegskinder – die Frau ist Jahrgang 1943, die Mutter des Mannes war zwei Jahre davor geboren und vor kurzem gestorben. Und darüber, wie undankbar die Gesellschaft ihnen gegenüber sei. „Wenn kümmern schon die Alten?“ fragt die Frau, eher traurig als anklagend, eher den Wind als den Mann neben ihr. Dann geht es mit der Schuldfrage in Sachen Flutkatastrophe weiter.

Mit geschlossenen Augen lausche ich auf die Töne der Innenstadt. Mit halbgeöffneten Augen nehme ich die Füße wahr, die hetzend, schlendernd, unsicher oder höchst selbstbewusst vor mir den Platz überqueren. Ich spüre Verlorenheit, Konsumlust, heitere Wochenendausflugslaune. Ahne die Erde unter den Pflastersteinen. Wenn ich die Augen weit öffne, sehe ich die noch immer tiefgrünen Kronen der Ahorn-Bäume, die den Platz säumen, und den klaren Himmel darüber.

Eine junge Frau mit dunkler Hautfarbe und fröhlichen Haarknoten verlangsamt ihren Schritt vor meinem Platz, untergehakt bei einer älteren Dame, die offenbar ihre Gastgeberin ist. Die junge Frau hebt die Hände in Gassho und verneigt sich leicht zu mir herüber. Ich lächle ihr schweigend zu. Ich höre sie die Ältere etwas fragen; daraufhin übersetzt diese meine Karton-Schrift ins Englische: „A few minutes silent – hear to the earth, hear to the climate – make meditation.“ Die beiden bleiben eine Minute lang still neben mir stehen. Dann kommt die Tochter der Älteren angesprungen, begrüßt die Afrikanerin überschwänglich, und die drei ziehen plaudernd weiter.

Halb eins. Meinen Gong höre ich im Trubel des Platzes selber kaum. Ich packe zusammen, bedanke mich bei den Leuten von Extinction Rebellion nebenan für ihre Gastfreundschaft und verabschiede mich von dem Mann auf der Bank hinter mir, der mittlerweile allein da sitzt. Ich danke ihm für seine Gesellschaft. Er hat Tränen in den Augen.

Nächste StraßenMeditationen in Bonn:

24.9. beim Klimastreik der Fridays4Future, ab 11 Uhr, als Gehmeditation

25.9. 12 Uhr wieder bei der XR-KlimaMahnwache auf dem Bonner Münsterplatz – ein letztes Mal vor der Bundestagswahl. Den Hochrechnungen schauen wir übrigens getrost entgegen am

26.9. NACH dem Ökodharma-Workshop mit David Loy und Pat Enkyo O’Hara Roshi 18-21 Uhr (hier geht’s zur Anmeldung).