In diesem dritten und von meiner Seite letzten Teil wird unter Anderem der rituelle Teil zum Abschluss des Tages am Ort des ehemaligen Friedhofs der Opfer des Lagers beschrieben.

Spot#4:
Unser Weg führte uns nach der Pause am Gedenkplatz weiter durch Wohngebiet mit bunten Vorgärten (welch ein Kontrast immer wieder…) zu der Stelle, an der sich in Zeiten des Lagers der Kasernenbereich mit den Baracken und Unterkünften der Wachmannschaften befand. Diese drei noch annähernd vollständig erhaltenen Gebäude sind immer wieder in der Diskussion, und darüber schreibt Frau Fößmeier ausführlich in ihrem bei Book on Demand herausgegebenen Büchlein „Stalag VII A – mahn-mal“. Es wird diskutiert, ob diese teilweise abgerissen oder einer Denkmal-fremden Nutzung zugeführt werden sollen. Damit würde ein wesentlicher Teil der Erinnerung an das Lager in der Schlesierstraße 1-5 verschwinden.
Von jenseits der Straße schallt lauter Kinderlärm zu uns hinüber, dort befindet sich die örtliche Mittelschule, die dringend erweiternde Bauten benötigt. Somit stehen wir mitten im Spannungsfeld von bedeutendem Erinnerungsort und heutigen Interessen der Stadt Moosburg. Frau Fößmeier hat einen Schlüssel, um uns in das Gebäude mit der Hausnummer 5 hineinzuführen.
Es beginnt eine Zeitreise durch die letzten Jahrzehnte der Nutzung nach der Auflösung des Lagers. Die Räume beherbergen noch vollständig eingerichtete kleine Wohnungen, in denen zeitweise Fremdarbeiter mit ihren Familien untergebracht waren. Ein Museum von unschätzbarem Wert, unberührt und in dem Zustand, in dem die Wohnungen verlassen wurden.


Von der Schule aus waren wir schon bemerkt worden, und dass ein Gebäude geöffnet war, machte drei 12-14-jährige Schüler neugierig und sie fragten ganz aufgeregt, ob sie auch hineinschauen dürften. So traf jugendliche Neugier auf lebendige Geschichte, ein wunderbares Erleben. Im Bereich der Schule fand außerdem eine Ausstellung der Solarenergietechnik statt, mit Ständen und Vorträgen, an und in denen für die Zukunft der Energie geworben wurde. Wir konnten diesen Bereich für einen notwendigen Toilettengang nutzen. Die Gegensätze diesseits und jenseits der Straße hätten nicht größer sein können.

Spot#5:
Unser Weg führte uns von dort zurück zu unserem Ausgangspunkt am Infopoint, wo unsere Fahrzeuge geparkt waren. Vor uns lag noch der Besuch der außerhalb von Moosburg gelegenen Gedenkstätte des ehemaligen Friedhofs, auf dem die Opfer aus der Zeit des Lagers ursprünglich begraben waren. Heute ist dies noch ein Ort des Gedenkens, die Gräber und ihre Überreste waren vor einiger Zeit umgebettet worden. An einer Landstraße neben einer Hundeschule gelegen trafen wir auf eine von Bäumen und Hecken eingefasste Wiese, auf der ein großes Holzkreuz mit einem Erinnerungsstein davor, einem zusätzlichen Gedenkstein (siehe das Beitragsbild) mit Tafel und einem noch recht jungen Ginkgo-Baum.
Dort gab uns Frau Fößmeier letzte Informationen dazu als Ausklang ihrer Führung und wir luden sie ein, zu bleiben und Teil unserer Gruppe zu werden. So wuchs unser Kreis für die vorgesehenen Rituale unerwartet an.
Dirk hatte sich im Vorfeld Gedanken gemacht, wie wir die am Vortag zu uns genommenen jüdischen Gefangenen und ihre Karteikarten in einem Ritual würdigen könnten. So versammelten wir uns zunächst um den Ginkgo-Baum, der gleichzeitig der Ort für unsere rituelle Mitte werden sollte und stellten (Frau Fößmeier hatte sich eine der Karten aus der Kiste gezogen) die Personen noch einmal vor, indem wir der Reihe nach die Namen und einige der verzeichneten Fakten verlasen.
Anschließend begaben wir uns in Gehmeditation auf einen Rundweg, der uns mehrmals um das Kreuz und den kurzen Zuweg dorthin führte. Nach drei bis vier Runden, je nach Impuls, gingen wir zu der geöffneten Kiste, die vor dem Erinnerungsstein vor dem Kreuz stand und verabschiedeten uns dort von unseren „Begleitern“, indem wir die Karten in die Kiste legten.
In diesen Tagen hat mir Dirk einen Text zugesandt, der seinen Weg mit „seinem“ Wegbegleiter beschreibt und den ich an dieser Stelle mit seiner Einwilligung veröffentlichen möchte: Moosburg 0525
Wir versammelten uns anschließend wieder um die Mitte am Ginkgo-Baum und ich verlas noch einmal „Ich rufe Dich – ein Segen für den Weg“.
Stephanie hatte in ihrer Vorbereitung auf der Webseite der jüdischen Erinnerungsstätte Yad Vashem die Namen von etwa 180 Opfern, entdeckt, die im Lager umgekommen waren. Diese hatte sie auf 12 Seiten ausgedruckt, so dass wir jeweils 2 Seiten von Namen hatten (die letzte Liste enthielt einige Namen von Überlebenden). Nacheinander, so wie es Praxis der ZenPeacemaker ist, verlasen wir reihum die Namen und legten die Listen anschließend in der Kiste ab. Nach eine kurzen Stille lösten wir unseren Kreis auf und begaben uns noch einmal zum Kreuz, um dort ein paar Erinnerungsfotos zu machen.

Damit endete unser Tag des „Erinnern – Verbinden – FriedeSein“ und der sehr wertvollen uns ergiebigen Führung durch Frau Fößmeier, denen ich und wir an dieser Stelle noch einmal von ganzen Herzen danken möchten! Sie war eine wirkliche Bereicherung in unseren Absichten und zum Schluss überraschender Teil unserer Gruppe geworden.

Zurück im Tannenhof bereiteten wir gemeinsam unser Abendessen vor und eine besondere Stimmung war spürbar nach dem langen und ereignisreichen Tag.
Zum Abschluss des Tages trafen wir uns dann noch einmal zu einer Meditation und Council im Tempel.

Der Sonntagvormittag begann wieder mit Meditation und Frühstück, bevor wir uns zum letzten mal in den Tempel zum abschließenden Council zusammenfanden, den ich mit einem Schreibimpuls einleitete und wir in anschließenden Verlesen unserer Texte noch einmal die Dichte unserer Erfahrung zum leuchten bringen konnten. So endete der offizielle Teil unseres Retreats.
Was noch vor uns lag, war die Reinigung des Hauses, der Zimmer und des Tempels sowie ein letztes Mittagessen und Verteilen der übrig gebliebenen Lebensmittel.

Mein Fazit: Die besondere Struktur des Ortes und seiner verbliebenen Erinnerungsstätten hat zusammen mit der wunderbaren Führung von Frau Fößmeier in mir die Überzeugung verstärkt, dass wir lediglich die notwendige Überzeugung/Hingabe und unser Commitment mitbringen müssen, um auf lebendige Weise „Erinnern – Verbinden – FriedeSein“ können!

Gassho 🙏🏻
Reiner Seido 🕊️